In meinen Porträtfotografien der Reihe „Gewöhnliche Leute“ zeige ich Menschen jeglicher Altersgruppen, zumeist bei einer Freizeitbeschäftigung. Und doch auch wieder nicht. Nur einzelne Details im Bild – ein Blick etwa, die Körperhaltung oder die Kleidung – verweisen auf Tätigkeiten oder Amüsements, von denen die Dargestellten allerdings pausieren. So versuche ich ihr aktuelles Tun in den Hintergrund zu rücken und zugleich die Frage aufzuwerfen, welche Geschichten und Erfahrungen sie mit sich herumtragen. Antworten auf diese Frage kann und will ich mit meinen Porträts natürlich nicht liefern. Mit dem Titel der Bildreihe aber, den ich vom gleichnamigen, 1969 in der DDR erschienen Erzählband des Schriftstellers Werner Bräunig leihe, lege ich eine Fährte zum ostdeutschen Kontext, in dem ich die Bildnisse verortet wissen möchte.
Bräunigs Erzählungen sind ‚Streifgeschichten‘. Wie zufällig begegnet man in ihnen den so genannten einfachen Leuten, die sich mit dem sozialistischen Alltag in der DDR zu arrangieren suchen. Das Leben dieser Menschen ist gewöhnlich, aber alles andere als banal. Durch seinen ganz eigenen Sprachgebrauch verleiht Bräunig seinen Protagonisten Tiefgründigkeit, Authentizität und Wahrhaftigkeit. So lässt er sie letztlich zu Sympathieträgern werden.
Auch die ‚Leute‘ in meinen Fotografien wirken sympathisch. Ich blicke wohlwollend und aus Verbundenheit auf sie, wenn sie vor meiner Kamera posieren. Zugleich aber unterscheiden sie sich deutlich von Bräunigs Figuren, zumindest in dem Moment, in dem ich den Auslöser betätige. In ihren Gesichtern und Körperhaltungen scheint dann etwas Zögerliches auf, eine leise Melancholie – so, als hätte sich die Geschichte des ostdeutschen Umbruchs in sie eingeschrieben, und als gelte es abzuwarten, welche Wendungen diese Geschichte noch nimmt.